Interview - Badische Zeitung


Wie sind Sie zur Bildenden Kunst gekommen?


Kunst ist meiner Meinung nach nicht etwas, zu dem man kommt “ wie die Jungfrau zum Kinde“. Vielmehr schlummert das kreative Potential im Inneren und drängt unter günstigen Voraussetzungen früher oder später ans Licht. Ich habe schon als kleines Mädchen in der Schusterwerkstatt meines Großvaters Objekte aus Lederresten, Holz und Nägeln gezimmert. Schon damals war die Affinität zu diesen Materialien und der Drang, etwas zu gestalten, vorhanden. In der Oberstufe stieß ich auf den Dadaismus und die Arte povera, entdeckte Arbeiten von Max Ernst, Kounellis, Beuys, Rauschenberg. Das kam einer tiefen Offenbarung gleich. Plötzlich eröffnete sich mir ein ganz neues Narrativ von Kunst, mit dem ich mich unmittelbar identifizieren konnte. Schon während des Kunststudiums entstanden dann erste poetische Objekte aus Fundstücken sowie komplexe Rauminstallationen im Neuwerkhof. Meine großen Ausstellungen in der Ehemaligen Synagoge Kippenheim oder der Städtischen Galerie in Lahr zeigten exemplarisch, welche Sammelleidenschaft damit einher geht.

Was bedeutet Kunst für Sie?


Für mich ist sie unverzichtbares Lebenselixier. Der schöpferische Prozess verlangt mir viel Kraft und Wahrhaftigkeit ab. Dabei findet eine intensive, vielschichtige Auseinandersetzung statt, tiefe Begegnung mit sich selbst, Läuterung, Kontemplation, aber auch Kampf, Frustration und Destruktion. Neben dem eigenen Schaffen kann mich auch die Rezeption von Kunst zutiefst erfüllen. Kunst kann ausdrücken, wozu Sprache nicht mehr in der Lage ist. Sie kann tiefste, archaische Sehnsüchte in uns nähren und erwecken. Kunst war und ist in jeder Kultur von immenser sozialer Wichtigkeit, nahezu existenziell, befreiend und befriedend, von der Stammeskunst bis hin zur hochkomplexen Kunstlandschaft der Postmoderne.



Was wollen Sie mit Ihrer Kunst ausdrücken?


Meine Arbeit enthält weder politische noch psychologische oder persönliche
Botschaften. Im Vordergrund steht für mich der schöpferisch-sinnliche Prozess, das ästhetische Resultat und dessen visuell-atmosphärischer Impuls. Kunst muss nicht gefallen und auch keine Erwartungen erfüllen. Die Werke bieten eine Projektionsfläche an. Ob diese beim „WAHRnehmen“ dann in Resonanz geht oder ins Leere verhallt, liegt nicht in meiner Macht. Sowohl Kunstproduktion als auch Kunstrezeption sind in sehr intimen, inneren Räumen verortet und entziehen sich oft sprachlicher Erklärung. Wenn beim Rezipienten eine leise Erschütterung oder Irritation ausgelöst wird, dann ist schon sehr viel passiert. Es geht mir jedenfalls nicht um äußere Bewertung sondern um innere Berührung.

Mit welchen Themen befassen Sie sich?


Beim künstlerischen Schaffen möchte ich mich nicht zwingend thematisch ausrichten, sondern mich vorwiegend vom Spirit der Fundstücke oder den Materialien und Werkstoffen leiten lassen. Manchmal gibt es eine grobe Überschrift,die ich im Prozess aber auch wieder verlasse. Zuletzt habe ich mich mit derjapanischen Philosophie des „Wabi Sabi“ beschäftigt. Daraus entstanden dannreduzierte, skizzenhafte Bilder von Gefäßen.


Welche Stilmittel und Techniken bevorzugen Sie?


Bevorzugt arbeite ich im dreidimensionalen Raum mit Objekten und Assemblagen. Es gibt aber auch großformatige Stoffarbeiten und Malereien mit stark haptischen Oberflächen Bei den Wandarbeiten gehe ich meist experimentell vor, mit unterschiedlichsten Werkstoffen, gerne aus dem Baumarkt. Acryl, Pigmente, Steinmehle, Beizen, Bitumen, Erden, Sand oder Schellack. Experimentelles Tun bedeutet hierbei keinesfalls nur willkürlichen Zufällen zu folgen, sondern es beinhaltet vielmehr eine hochkonzentrierte Abfolge aus intuitivem, gestischem Tun im Wechsel mit kontrolliertem Vorgehen unter Einhaltung strenger gestalterischer Spielregeln. Eine große Leidenschaft von mir sind außerdem Rauminstallationen, wie ich sie vor einigen Jahren u.a. im T66 beim BBK Freiburg und im Georg Scholz Haus in Waldkirch verwirklichen konnte.

Woran arbeiten Sie gerade?


Zuletzt habe ich mich erstmals intensiver der Malerei gewidmet. Meine letzte Ausstellung mit dem Titel „WABI SABI - Von der Schönheit des Unvollkommenen“ erhielt sehr viel positive Resonanz. Thematisch waren es überwiegend Gefäße und Schalen, die in Mischtechnik auf Leinwand und Holz entstanden sind. Dabei hat mich jedoch nicht die perfekte Darstellung der Sujets interessiert, sondern der eine magische Moment, in dem die unfertige, rohe Momentaufnahme in ihrer Verletzlichkeit so viel Kraft besitzt, dass ich die Arbeit beende. Hieran möchte ich anknüpfen. Eventuell noch reduzierter und gerne auf noch viel größeren Formaten.

Dieses Interview erschien im Juni 2023 in der Badischen Zeitung